Im Jurastudium muss man die praktische Studienzeit ableisten, sie ist eine der Voraussetzungen damit man sich zum Examen melden kann. In NRW beträgt die praktische Studienzeit 3 Monate, wovon 1 Monat bei einer Verwaltungsstation und 1 Monat bei der Rechtspflege abzuleisten ist. Der 3. Monat kann nach Wahl an einer geeigneten Stelle abgeleistet werden. Mit wurde das Wahlpraktikum durch meine Tätigkeiten in einer Kanzlei anerkannt. Das Rechtspflegepraktikum habe ich beim Landgericht gehabt, dazu ist schon ein Bericht online. Das Verwaltungspraktikum habe ich beim Bezirksamt in meiner Heimat Hamburg abgeleistet.
Allgemeines zum Verwaltungspraktikum
Das Verwaltungspraktikum oder auch offiziell genannt „die praktische Studienzeit bei einer mit Verwaltungsaufgaben betrauten Stelle“ soll einen Einblick in die Aufgaben, Organisation und Geschäftsabläufe einer Verwaltung geben. Eine solche können die verschiedensten Behörden sein, aber auch privatrechtlich organisierten Stellen, die solche Aufgaben wahrnehmen wie etwa der „Landkreistag e.V.“ oder die “Stadtwerke GmbH“.
Der Ablauf der Bewerbung
Den Bewerbungsprozess fand ich für das Verwaltungspraktikum deutlich schwerer als für das Rechtspflegepraktikum. Während bei Rechtspflege die ganzen Gerichte, wie Amtsgerichte, Landgericht, Arbeitsgericht, Verwaltungsgericht etc. und die ganzen Kanzleien potenziell zur Verfügung standen, war das bei den Behörden deutlich eingeschränkter. Viele Behörden nehmen keine Praktikanten, weil sie nicht die Kapazitäten haben, andere, weil sie nur Referendare nehmen, oder generell nur interne Bewerber. Ich wohne zwar in einer großen Stadt mit Hamburg und es gibt er die verschiedensten Behörden, aber welche die Bewerber annehmen, sind gering und dann gibt es ja nicht nur die Uni Hamburg und Bucerius, sondern auch noch Bewerber aus dem Umland und das nicht nur für Jura, sondern auch für andere Bereiche.
Ich habe mich direkt nach dem ersten Semester auf Praktika beworben, wenn auch mehr für Rechtspflege, habe ich auch schon bei ein paar Behörden beworben, wo ich von allen die Rückmeldung bekommen habe, dass keine Kapazitäten bestehen. Ich habe mich dann ein Jahr später umfangreicher beworben. Ich habe in meiner Bewerbung auch direkt zwei mögliche Zeiträume angegeben in der Hoffnung meine Chancen so zu erhöhen. Bei den Bewerbungen zuvor ist mir nämlich aufgefallen, dass die Termine im Sommersemester eigentlich nie möglich sind, weil die meisten dort mit der Familie im Urlaub sind. Ich hatte echt Sorge keinen Platz zu bekommen und ja auch eigentlich nur noch die Möglichkeit jetzt im März 2024 mein Praktikum abzuleisten, wenn ich die alte JAG Fassung noch mitnehmen will. Ich war demnach so unfassbar glücklich und froh, als die erste Rückmeldung, die ich bekommen habe, direkt eine Zusage war und dann noch von einer meiner Favoriten. Ich habe daher direkt zugesagt und mit meinem zukünftigen Chef gesprochen und wir haben uns auch direkt total gut verstanden.
Mein Arbeitsbereich und Ablauf
Ich habe die Zusage vom Bezirksamt im Bereich Personalservice erhalten. Es arbeiten etwa 35 Leute in diesem Bereich, die für die um die 16.000 Angestellten zuständig sind. Mein Chef war der Bereichsleiter vom Personalservice und selbst Volljurist. Ich war ihm direkt unterstellt und habe meine Aufgaben von ihm erhalten und mit ihm besprochen. Ich hatte ein eigenes Büro und eigene Schlüssel. Meine Arbeitszeit begann um 9 Uhr, wobei jeder theoretisch kommen und Pause machen konnte, wann er das wollte, solange die Arbeitszeit dann wann anders absolviert wurde. Ich hatte keine festen Arbeitszeiten, sondern es hat sich danach gerichtet, was ich zu erledigen hatte. Ich war allerdings immer an drei Tagen die Woche da, mal bis 13 mal bis 17 Uhr, aber eigentlich nie länger. Mein Chef hat mir das komplett selbst überlassen und hat mir auch sonst ganz viel Verständnis und Rücksicht gegeben, in den letzten Tagen vor der Abgabe der Hausarbeit, war es für ihn selbstverständlich und kein Problem, wenn ich früher gehen wollte.
Das Kollegen im Praktikum
Generell hatte ich sehr viel Glück mit meinem Chef und den Kollegen. Mein Chef ist eine Person, bei der man sofort merkt, dass er liebt, was er tut, der total begeistert davon ist und darin total aufgeht. Es hat richtig Spaß gebracht, mit ihm zu sprechen. Er hat auch klar gemacht, dass ich zum lernen da bin und nicht um die „Drecksarbeit“ der anderen zu machen und falls irgendjemand mich so behandelt ich ihm das sofort sagen soll. Aber das war überhaupt nicht nötig, alle waren unfassbar freundlichen zu mir und hilfsbereit. Ich wurde mit sehr viel Respekt behandelt und anderen nicht als Praktikantin, sondern als „angehende Juristen, die für kurze Zeit das Team unterstützt“ vorgestellt. Mein Chef hat mich auch total auf Augenhöhe behandelt, wenn ich zu Rechtsfragen eine Stellungnahme schreiben sollte und wir anschließend drüber gesprochen haben, hat er mir immer das Gefühl gegeben, dass meine Meinung genauso viel wert sei, meinte sogar teilweise, dass er selbst keine Ahnung hat und ich das für ihn rausfinden soll. Zudem hat mein Chef hat sich zum Beispiel dafür stark gemacht, dass ich eine Aufwandsentschädigung erhalte, obwohl das ja leider bei juristischen Praktika sonst nicht der Fall ist. Mein Chef hat zudem mich gefragt, wann und ob ich Zeit für ihn habe und ist in mein Büro gekommen, anstatt mich zu sich zu rufen.
An meinem ersten Tag hat mir die Person, welche für Bewerbungen zuständig ist erzählt, dass mein Praktikum ein 6er im Lotto sei. Sie hätten sehr viele Juristen und andere Studierende, die sich bewerben würden, aber ich sei die Erste, der sie jemals zugesagt haben. Dadurch, dass ich die erste Praktikantin war, waren auch noch manche Dinge unklar, aber das ist nicht weiter schlimm gewesen oder aufgefallen, im Gegenteil, als ich 1 Monat vor Start angerufen habe, um mich zu erkundigen, wann ich am ersten Tag da sein soll, ist eine Dame rangegangen, die meinen Namen direkt zuordnen konnte, mich gefragt hat, ob ich die Praktikanten sei und das alle sich schon auf mich freuen würden. Während meines Praktikums wurde ich auch dem Bezirksamtsleiter und seiner Stellvertreterin vorgestellt, welche ebenfalls beide Juristen sind und sich sehr für mich und mein Werdegang interessiert haben.
Meine Aufgaben
Mittwochs fand immer eine Besprechung der Abteilungsleiter statt, an welcher ich teilgenommen habe, da wurden aktuelle Dinge und auch Probleme besprochen, häufig sind dabei auch rechtliche Fragen aufgekommen. Rechtliche Fragestellungen zu lösen war während des gesamten Praktikums der Schwerpunkt meiner Tätigkeit, dazu kam dann noch Verwaltungstätigkeiten, die mir gezeigt und erklärt wurden, wenn ich Zeit dafür hatte und eine Verhandlung vorm Verwaltungsgericht.
Ein rechtliches Problem, mit dem ich zu tun hatte, war die Einstufung einer Angestellten. Personen im öffentlichen Dienst werden nach einer Tabelle vergütet, die Gruppe, in der man startet, ist vertraglich festgelegt und die absolvierte Zeit sorgt für einen Aufstieg in Stufen innerhalb dieser Gruppe und somit für ein höheres Entgelt. Im vorliegenden Fall wurde eine befristete Stelle ausgeschrieben und nach der Bestenauslese an eine interne Bewerberin vergeben. Die Stelle hatte eine höhere Gruppe, die Angestellte wurde allerdings nicht höher gruppiert, sondern hat die Differenz als Zulage erhalten. Die Stelle wurde allerdings fehlerhaft als befristet ausgeschrieben. Die Person wurde nach der Befristung unbefristet übernommen, die Zeit innerhalb der Befristung wurde nicht auf die Stufe angerechnet. Mein Chef fand das unfair, denn ein externer Bewerber hat dann ja ein Vorteil, weil er direkt auf der höhren Gruppe eingestellt worden wäre. Meine Aufgabe war daher zu prüfen, ob eine rückwirkende Anrechnung und Höherstufung möglich ist und eine Übersicht über Urteile zu erstellen, wann und wie eine rückwirkende Eingruppierung möglich ist. Denn eine Einstufung seit Beginn der befristeten Stelle würde ja gegen die Ausschreibung und damit gegen die Bestenauslese verstoßen.
Dann musste ich prüfen, wie und wann die Kündigung von einem Beamten möglich ist, denn ein Beamter hat sich geweigert seine Aufgabe zu erledigen und Anweisung mehrfach widersprochen. Bei Beamten ist das ja allerdings ziemlich schwer, eine Disziplinarstrafe oder sogar Kündigung auszusprechen.
Dann ging es um das neue EuGH Rechtsprechung und ob ein Präventionsverfahren bei Behinderten Angestellten durchzuführen ist und in einem anderen Fall um die Kündigung eines Schwerbehinderten.
Zusammenfassung
Insgesamt war dieses Praktikum ein Traum, die Leute und der Umgang, die Aufgaben und Einblicke, alles rundherum war ein toller Einblick, tolle Erfahrungen und genauso wie ein Praktikum sein sollte. Verabschiedet wurde ich mit einer richtig lieben Dankeskarte und Schokolade.